18.
Lektion - lectio duodevicesima (duodeviginti 18)Martial (40-104 n.Chr.)
Augustus war schon 25 Jahre tot, als gegen 40 n.Chr. im Spanischen Bilbilis (heute Bubiera, nahe Zaragoza, die Ruinen des antiken Bilbilis befinden sich auf dem Cerro de Bambola) der Epigrammdichter Valerius Mârtiâlis geboren wurde.
Über sein Leben in Bilbilis ist nichts Sicheres bekannt; da er aber mit etwa 24 Jahren nach Rom kam, um Anwalt zu werden, wird er in Spanien die übliche grammatisch-rhetorische Ausbildung genossen haben. In Epigramm 3, 38 spricht er über die Gründe, die einen jungen Mann mit guter Schulbildung bewegen konnten, nach Rom zu gehen: Anwalt, Poet oder Klient werden.
Er selbst verzichtet auf die erste Option und macht sich als Dichter einen Namen. Daß er gleichzeit gezwungen war, Klient eines bedeutenden Patrons oder Gönners zu sein, wurmte ihn gewaltig (1,59; 5,5; 5,7; 5,14;10,70).
Als Klient hatte er dem Patron in der Frühe seine Aufwartung zu machen. Er hatte sich für irgendeine Aufgabe bereitzuhalten, z.B. mußte er Zeuge sein bei einem notariellen Akt, oder er hatte den Patron aufs Forum zu begleiten. Als Gegenleistung erhielt der Klient ursprünglich ein Körbchen (sportula) mit Speisen, später ein kleines Tagegeld, das gerade zum Leben in einer Mietskaserne reichte.
Mit seiner Poesie fand Martial schon nach wenigen Jahren Zutritt zum Kaiserhof. Im Jahr 80 schrieb er zur Einweihung des Colosseums den Liber spectaculorum. 81 kam Domitian (51-96 n.Chr.) an die Regierung und Martial hatte von nun an keine Sorgen mehr, denn der Kaiser schätzte seine Arbeiten und belohnte ihn u.a. mit der Erhebung in den Ritterstand. Während der Kaiser die Staatsfinanzen zerrüttete, gelangte Martial zu einem bescheidenen Wohlstand: er kaufte sich ein Haus und ein kleines Landgut (12, 57). Nach der Ermordung des Gewaltherrschers Domitian verlor Martial seine Kontakte zum Kaiserhof, denn Nerva (35 - 98 n.Chr.) hatte keinen Gefallen an seinen Dichtungen. Martial kehrte 98 in seine Heimat zurück, gegen 104 starb er in Bilbilis.
In Griechenland war ein Epigramm ursprünglich wirklich eine Schrift auf Grabstelen, auf geweihten Gefäßen usw. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich die Epigramme zu poetischen Miniaturen, in denen alles ausgedrückt wurde, was der poetischen Rede wert war: Landschaftsminiaturen, Sittenmalerei, Sozialkritik -aber auch gefühlvolle Darstellung menschlicher Empfindungen. Um den Angegriffenen bzw. Kritisierten zu schonen, benutzte Martial i.a. fingierte Namen. Es wird behauptet, daß er die Epigrammatik zur Vollendung geführt habe; es kann aber nicht übersehen werden, daß so manches seiner ca. 1500 Kurzgedichte recht oberflächlich ist.
Martial hatte unter Literaten und Politikern viele Freunde in Rom, u.a. auch den jungen Plinius, der sich in Epistula 3, 21 an Cornelius Priscus recht bestürzt über Martials Tod äußert.
Nun schauen wir uns einige weitere Martial-Epigramme an. Beginnen wir mit einer Aufmunterung an alle, die auch dann durchhalten, wenn Lateinlernen mal nicht so lustig ist:
Rêbus in angustîs facile (e)st contemnere vîtam:
fortiter ille facit, quî miser esse potest.
rês angustae
enge Verhältnisse, UnglückMartial kann schrecklich boshaft sein, wie das folgende Distichon (XI 92) zeigt:
Mentîtur quî tê vitiôsum, Zôile, dîcit:
nôn vitiôsus homô es, Zôile, sed vitium!
Es lügt, Zoilus, wer behauptet, du seist lasterhaft
:Heute leben, nicht morgen war ein zentrales Thema des Martialschen Denkens. Seiner Überzeugung nach war heute zu leben bereits zu spät.
Mit dem Epigramm V 58 (vier Distichen) spricht der Dichter wohl auch so manchem modernen Leser aus der Seele:
Crâs tê vîctûrum, crâs dîcis, Postume, semper.
Dîc mihi, crâs istud, Postume, quando venit?
Quam longê crâs istud, ubi (e)st? aut unde petendum?
Numquid apud Parthôs Armeniôsque latet?
Iam crâs istud habet Priamî vel Nestoris annôs.
Crâs istud quantî, dîc mihi, possit emî?
Crâs vîvês? Hodiê iam vîvere, Postume, sêrum est.
Ille sapit, quisquis, Postume, vîxit herî.
Dieses Morgen hat schon die Jahre des Priamus oder des Nestor.
Dieses Morgen, für wieviel, sag mir, kann es wohl gekauft werden?
Morgen wirst du leben? Heute zu leben ist schon zu spät.
Jener ist weise, Postumus, der gestern gelebt hat.
Ein ehrgeiziger, arbeitswütiger Manager wird sich bestimmt gelegentlich fragen: und wann lebe ich?
Schon Cicero fragte seinen Bruder Quintus einmal in einem Brief (III 1,12): aber wann soll ich leben?
Quod me in eadem epistula sicut saepe antea cohortaris ad ambitionem et ad laborem, faciam equidem, sed quando vivemus?
Im selben Brief feuerst du mich zu Ehrgeiz und Arbeit an, und ich mache das auch;
aber wann soll ich leben
(Wissen Sie wer Arachne war? Das war eine der ersten Workaholics, ein einfaches lydisches Mädchen, das nur ans Weben dachte. Sie forderte sogar die Handwerksgöttin Minerva zum Wettweben auf. Obgleich Minerva die Arbeit der Lyderin für vollkommen erklärte, bestrafte sie den Hochmut der Weberin und verwandelte sie in eine Spinne (arânea, ae f).
Diese Verwandlungsgeschichte findet sich zusammen mit vielen weiteren derartigen Erzählungen, es sind ungefähr 250, in den Metamorphosen des Ovid. In der nächsten Lektion werden wir uns mit Ovid beschäftigen.)
Was heißt nun aber leben? Hier müßten wir vielleicht wieder bei Seneca nachfragen, -aber dazu haben wir jetzt natürlich keine Zeit, denn es muß noch skandiert werden!
Zunächst nochmals die Schemata von Hexameter und Pentameter:
Hexameter
¾
Crâs tê | vîctû- | rüm, || crâs | dîcïs, | Pöstume,| sëmper.
Dîc mihi,| crâs ïs- | tüd,|| Pöstume,| quändo ve- | nit?
Quäm lön- | gê crâs | ïs- || tud, u- | bï (e)st? aut | ünde pe-| tëndum? (
lies: bîst)Iäm crâs | ïstud ha- | bët || Pri-a-| mî vël | Nestoris | ännôs.
Crâs ïs-| tüd quän-| tî, || dîc mihi, | pössit e- | mî?
Crâs vî-| vês? Hodi-| ê || iäm |vîvere, | Pöstume,| sêr(um) est.
(iam = jam; um
Im Internet finden Sie so manche Martial-Seite, z.B. die folgende mit dem lateinischen Text:
http://www.gmu.edu/departments/fld/CLASSICS/mart.html
Zur Metrik sollten Sie sich vielleicht die folgenden Seiten anschauen:
Reading Latin poetry aloud (by Andrew Wilson) (sogar mit Tonbeispielen!)
Recordings of Latin poetry (wav files by Walter Stevenson)
Guide to the Scansion of Latin Poetry (by Marc Moskowitz)
Zum Abschluß unseres Martial-Einstiegs lesen wir noch einige einfache Distichen.
Semper pauper eris, sî pauper es, Aemiliâne:
dantur opês nûllîs nunc nisi dîvitibus.
Immer wirst du arm sein, wenn du arm bist, Aemilianus:
Reichtümer werden nur denen gegeben, die schon reich sind.
Ut recitem tibi nostra rogâs epigrammata. Nôlô:
nôn audîre, Celer, sed recitâre cupis.
Du verlangst, daß ich dir meine Epigramme vortrage. Ich will nicht:
nicht zuhören willst du, Celer, sondern vortragen.
Sunt quîdam quî mê dîcant nôn esse poêtam;
sed quî mê vendit bibliopôla putat. (14, 194)
bibliopôla, ae m Buchhändler
Es gibt Leute, die sagen, ich sei kein Dichter:
aber der Buchhändler, der mich verkauft, glaubt es.
Tantum magna suô debet Verona Catullô,
quantum parva suô Mantua Vergiliô.
Soviel schuldet das große Verona seinem Catull,
wie das kleine Mantua seinem Vergil.
Auch einen Elfsilbler müssen wir uns noch ansehen, schauen Sie sich dazu doch nochmals die 13. und 14. Lektion an!
Hier im Epigramm 10, 47 zählt Martial die Dinge auf, die seiner Ansicht nach das einfache Leben ausmachen. Vielleicht stimmen Sie ihm -wenigstens in großen Zügen- zu:
Vîtam quae faciant beâtiôrem, |
(Die Dinge), die das Leben glücklicher machen, |
pariô, peperî, partum, paritûrus, parere
gebären, erwerbenDas Schema des Hendekasyllabus (Elfsilbler) hatten wir in der 13. und 14. Lektion besprochen: der erste Fuß kann ein beliebiger Zweisilbler sein (Spondeus ¾
¾
,
Trochäus ¾
È
oder Iambus È
¾
), der zweite ist immer ein Daktylus (¾
È
È
), der dritte und vierte Fuß ist ein Trochäus und der fünfte entweder ein Spondeus oder ein Trochäus.
Die ersten sechs Verse sind demnach folgendermaßen zu skandieren (der dritte Vers ist besonders leicht zu lesen, weil hier Vers-und Prosaton zusammenfallen):
Vi-tam | quae fa-ci-| ant be-| a-ti-| o-rem,
iu-cun- | dis-si-me | Mar-ti- | a-lis,| haec sunt:
res non | par-ta la- | bo-re,| sed re-| lic-ta;
non in- | gra-tus a- | ger, fo- | cus per- | en-nis;
lis num- | quam, to-ga | ra-ra,| mens qui- | e-ta;
vir-es | in-ge-nu- | ae, sa- | lu-bre | cor- pus;
Im ersten Fuß der ersten fünf Verse waren alle zweiten Silben positionslang (nôn im dritten Vers war außerdem naturlang). Im sechsten Vers ist -ês naturlang. Der erste Fuß ist jeweils ein Spondeus.
Wenn Sie Martial alleine lesen möchten, so sollten Sie keine Übersetzung im Original-Versmaß als Studierhilfe benutzen, sondern eine möglichst wortgetreue Prosaübersetzung.
In der zweisprachigen dtv-Ausgabe Epigramme (ISBN 3-423-09223-8) bietet U. Gößwein eine derartige Prosaübertragung. Das Büchlein enthält zahlreiche Kommentare; es handelt sich aber nicht um eine Gesamtausgabe.
Heute wollen wir uns in der Grammatik ein wenig ausruhen. Wir lesen zunächst eine kleine lateinische Geschichte, die in früheren Zeiten die Großmutter hätte erzählt haben können -natürlich auf Deutsch! Es geht um den Schatz im Weinberg. Wir werden bei dieser Gelegenheit den Genitivus obiectivus kennen lernen und -auch in den Übungen- den Gebrauch von cum, a.c.i. und Irrealis wiederholen.
In den Übungen werden wir ebenfalls einige weitere Distichen übersetzen, und schließlich wollen wir uns noch um das unregelmäßige Verb ferre tragen kümmern, von dem Sie in der folgenden Fabel im 7. Satz die Form 3. Pl. Ind. Perf. Akt. finden werden.
Die Fabel vom Schatz im Weinberg
1. Agricola quîdam moribundus, quî nullâs habêbat dîvitiâs, quâs relinqueret fîliîs, excitâre animôs illôrum voluit ad assiduitâtem labôris.
2. Convocâvit igitur eôs et ita est allocûtus: "Fîliî meî, vidêtis mê mox â vôbîs discessûrum esse.
3. Omnês, quâs habeô, divitiâs in vîneâ, quam vôbîs relinquô, quaeritôte."
4. Haec cum dixisset senex, mortuus est.
5. At fîliî, cum crêderent illum in vîneâ alicubi abscondisse thesaurum, tôtum vîneae solum effodiunt.
6. Thesaurum inveniunt nullum.
7. Sed cum terra fodiendô bene culta esset, vîtês ûberrimum frûctum tulêrunt.
Vokabeln:
moribundus, a, um
im Sterben liegendVon tulêrunt kommen wir ganz zwanglos zu ferre
Sicher freuen Sie sich, daß wir mal wieder ein unregelmäßiges Verb betrachten. Zuletzt machte uns in der 15. Lektion îre gehen so viel Freude, heute soll es, wie gesagt, ferre tragen, bringen sein, an dessen Formen wir uns erfrischen wollen.
Stammformen: ferô, tulî, lâtum, ferre. (Das Supin lâtum bedeutet um zu tragen)
Zunächst werde ich die Formen zusammenstellen; zum Schluß folgen einige Kommentare.
Präsensstamm (aktiv):
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fer-s fer-t fer-i-mus fer-tis fer-u-nt |
fer-â-s fer-a-t fer-â-mus fer-â-tis fer-a-nt |
fer-ê--bâ-s fer-ê-ba-t fer-ê-bâ-mus fer-ê-bâ-tis fer-ê-ba-nt |
fer-rê-s fer-re-t fer-rê-mus fer-rê-tis fer-re-nt |
fer-ê-s fer-e-t fer-ê-mus fer-ê-tis fer-e--nt |
Perfektstamm (aktiv):
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lât-ûrus, a, um |
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Die Formen des Passivs lauten:
Präsens:
Ind.: fer-or, fer-ris, fer-tur, fer-i-mur, fer-i-minî, fer-untur ich werde getragen
Konj.: fer-a-r, fer-â-ris, fer-â-tur, fer-â-mur, fer-â-minî, fer-a-ntur ich werde getragen, du werdest getragen
Imperfekt:
Ind.: fer-ê-bar, fer-ê-bâ-ris, ... ich wurde getragen
Konj.: fer-re-r, fer-rê-ris, ... ich würde getragen
Futur I:
Ind.: fer-a-r, fer-ê-ris, ... ich werde getragen werden
(Im Lateinischen gibt es keinen Konjunktiv des Futurs; notfalls tritt eine Umschreibung oder ein Ersatz ein.)
Perfekt:
Infinitiv:
Gerundivum:
fer-e-nd-us, a, um ein zu tragender, (einer, der getragen werden soll)Der Infinitiv ferre geht zurück auf ferere, in dem das kurze e in der Mitte im Laufe der Zeit ausgefallen ist. Auch in anderen Formen (vor Endungen, die mit -r, -s, -t beginnen) ist dieser Zwischenvokal verschwunden: fer-s, fer-t usw. Auch im Deutschen haben wir eine derartige Erscheinung, z.B. aus bringet wurde bringt, aus holet ergab sich holt usw.
Wir sehen, daß drei Stämme benutzt werden:
Präsens-Stamm: fer- (griechisch: pher-ein)
Perfekt-Stamm: tul-
Supin-Stamm: lât- (aus tlât- entstanden)
Der Imperativ wird ohne Endung gebildet: fer! trage! (vgl. dîc!, dûc!, fac!). Im Plural ferte!
Ursprünglich erfolgte die Perfektbildung mit Reduplikation. Im Altlateinischen hieß es noch tetulî.
Die Komposita von ferre werden in gleicher Weise flektiert, z.B. côn-ferre, côn-ferô, con-tulî, col-lâtum zusammentragen, einander nahe bringen (Konferenz), dê-ferô anzeigen werden wir im Anhang finden.
Auch das Verb tollere aufheben, beseitigen ist zu den Komposita zu rechnen. Seine Stammformen lauten tollô, sustulî, sublâtum. Dabei entstand tollô aus tol-nô und sustulî aus sus-te-tulî.
Von den sogenannten unregelmäßigen Verben fehlt uns jetzt nur noch fîô, factus sum, fierî werden, geschehen, gemacht werden.
Versuchen Sie zu übersetzen
Bitte die folgenden vier Distichen übersetzen:
Vergilius, î war aus Andes bei Mantua (70-19)
tantum Adv. so viel, quantum Adv. soviel
Ein paar nützliche Sätzchen zur Fabel:
Lösungen:
Die Helvetier sind bereits aufgebrochen und verwüsten die Felder der römerfreundlichen Häduer und Ambarrer, südliche Nachbarn der Häduer. Diese und auch die links der Rhône wohnenden Allobroger bitten Caesar einzuschreiten. Der kann gar nicht anders, denn die Sorge um das Wohl der Bundesgenossen entsprach einem Senatsbeschluß von 61 v.Chr.
BG I, 11,1-6
1 |
Helvêtiî iam per angustiâs et fînês Sequanôrum suâs côpiâs trâdûxerant et in Haeduôrum fînês pervênerant eôrumque agrôs populabantur. |
2. |
Haeduî, cum sê suaque ab iîs defendere nôn possent, lêgâtôs ad Caesarem mittunt rogâtum auxilium: |
3. |
ita sê omnî tempore dê populô Rômânô meritôs esse, ut paene in cônspectû exercitûs nostrî agrî vastârî, lîberî eôrum in servitûtem abdûcî, oppida expûgnârî nôn debuerint. |
4. |
Eôdem tempore Haeduî Ambarrî, necessâriî et cônsanguineî Haeduôrum, Caesarem certiôrem faciunt sêsê dêpopulâtîs agrîs nôn facile ab oppidîs vim hostium prohibêre. |
5. |
Item Allobrogês, quî trâns Rhodanum vîcôs possessiônêsque habêbant, fugâ sê ad Caesarem recipiunt et dêmônstrant sibi praeter agrî solum nihil esse reliquî. |
6. |
Quibus rêbus adductus Caesar nôn exspectandum sibi statuit, dum omnibus fortûnîs sociôrum cônsûmptîs in Santonôs Helvetiî pervenîrent. |
wörtliche Übersetzung
1. |
Die Helvetier schon durch die Engpässe und das Gebiet der Sequaner ihre Truppen hatten hindurchgeführt und in der Häduer Gebiet waren gelangt und deren Felder sie verwüsteten. |
2. |
Die Häduer, da sich und das Ihrige vor ihnen verteidigen nicht sie konnten, Gesandte zu Caesar sie schicken, um zu erbitten Hilfe: |
3. |
so sie zu aller Zeit um das Volk römisches hätten verdient, daß beinahe im Angesicht des Heeres unseres die Felder verwüstet werden, die Kinder ihre in die Sklaverei abgeführt werden, die Städte erobert werden nicht hätten dürfen. |
4. |
Zur selben Zeit die Häduer-Ambarrer, Freunde und Blutsverwandte der Häduer, den Caesar benachrichtigen, daß sie verwüstet die Äcker nicht leicht von den Städten den Ansturm (die Kraft) der Feinde abhalten. |
5. |
Ebenso die Allobroger, die jenseits der Rhône Dörfer und Besitzungen hatten, auf der Flucht sich zu Caesar ziehen zurück und zeigen, ihnen außer des Ackers Boden nichts sei übrig. |
6. |
Durch diese Ereignisse bewogen, Caesar nicht warten müssen sich er meinte, bis (daß) alle Habe der Bundesgenossen aufgezehrt in die Santoner die Helvetier gelangten. |
freie Übersetzung
Die Helvetier hatten ihre Truppen bereits durch die Engpässe und das Gebiet der Sequaner hindurchgeführt, waren in das Land der Häduer eingedrungen und verwüsteten deren Felder. Sie hätten sich jederzeit so um das römische Volk verdient gemacht, daß es nicht sein dürfte, daß fast vor den Augen unseres Heeres ihre Felder verwüstet, ihre Kinder in die Sklaverei verschleppt und ihre Städte erobert werden. Zur gleichen Zeit benachrichtigen die Häduer-Ambarrer, Freunde und Stammesgenossen der Häduer, Caesar, daß sie nach Verwüstung ihrer Felder nicht leicht den Ansturm der Feinde von ihren Städten abwehren könnten . Ebenso fliehen die Allobroger, die jenseits der Rhône Dörfer und Besitzungen hatten, zu Caesar und zeigen, daß ihnen außer Grund und Boden nichts geblieben sei. Infolge dieser Ereignisse, war Caesar der Meinung, nicht warten zu dürfen, bis die Helvetier alle Habe der Bundesgenossen aufgezehrt hätten und ins Gebiet der Santonen gelangt wären. |
Verben
trâdûcô, dûxî, ductum, dûcere
hinüber führenSonstige Wörter und Erklärungen
eôrumque (
spr. e-ô-rum-kwe) und deren
Zeile 1
Der erste Satz ist aus drei Sätzen zusammengezogen. Die drei Prädikate lauten trâdûxerant, pervênerant (beide 3. Pl. Ind. Plqpf. Akt.) und populâbantur (3. Pl. Ind. Impf. Dep.)
Der keltische Stamm der Häduer wohnte zwischen Loire und Saône (spr. ßohne). Sie durften sich "Brüder des römischen Volkes" nennen. Das Plusquamperfekt schildert Handlungen und Vorgänge, die in der Vergangenheit abgeschlossen vorlagen: die Helvetier hatten ihre Truppen durch die Pässe und durch das Land der Sequaner geführt, und befanden sich im Land der Häduer.
Das Imperfekt sagt etwas aus über die sich daraus ergebende Gesamtlage, über noch unvollendete durative Handlungen (6. Lektion): sie waren dabei, die Felder zu verwüsten.
Zeile 2
In den HS Haeduî ... mittunt ist der Kausalsatz cum sê ... defendere nôn possent eingeschoben. rogâtum auxilium ist ein Finalsatz (Absicht, Zweck). rogatum um zu erbitten ist Supin I. In der 9. Lektion erfuhren Sie, daß das Supin I nur bei Verben der Bewegung steht (hier: mittunt) und daß es den Zweck einer Handlung ausdrückt. rogâtum setzt natürlich voraus, daß etwas mündlich oder schriftlich ausgesagt wird. Die Indirekte Rede, die in der 3. Zeile steht, hängt von diesem implizierten Verbum des Sagens ab.
Zeile 3
In dieser Zeile steht eine indirekte Rede, orâtio oblîqua. Zu Beginn haben wir einen a.c.i. mit dem Subjekt (dîcêbant) sê (=Haeduî) und dem Prädikat meritôs esse: (sie sagten) daß sie sich verdient gemacht hätten.
Nun folgt ein von ut + Konj. eingeleiteter Konsekutivsatz: ut ...agrî vastârî, lîberî abdûcî, oppida expugnârî nôn debuerint. (Das Adverb ita so kündigt einen Konsekutivsatz, also einen Folgesatz, an.)
Das Hauptverb debuerint sie hätten dürfen ist 3.Pl. Konj. Perf. Akt. von dêbeô ich muß, darf, soll. agrî vastarî nôn debuerint die Felder hätten nicht verwüstet werden dürfen. vastârî, abdûcî und expugnârî sind Infinitive Präs. Pass.
Die Felder dürfen nicht verwüstet werden würde sein: agrî vâstârî nôn debent, also mit 3.Pl. Ind. Präs. Akt. debent sie dürfen.
Zeile 4
Die Ambarrer waren ein keltischr Stamm, der westlich der Allobroger zwischen Rhône und Saône wohnte. Der bloße Ablativ eôdem tempore zur gleichen Zeit, gleichzeitig steht auf die Frage wann? und ist Ablativus temporis -wie auch vorhin omnî tempore.
dêpopulâtîs agrîs nachdem die Felder verwüstet waren, nach Verwüstung der Felder ist Ablativus absolutus.
Zeile 5
fugâ
auf der Flucht (Abl. auf die Frage wie?. fugâ sê recipere sich flüchten).Zeile 6
Wir haben die umschreibende Konjugation aktiv (coniugâtiô periphrastica âctîva) bereits in der 11. Lektion kennen gelernt: scriptûrus, a, um sum ich bin im Begriff zu schreiben. scripturus (Part. Fut. Aktiv) ist ein Adjektiv dreier Endungen wie auch bonus, a, um. Es hat sich ganz (d.h. in Genus, Numerus und Kasus) nach dem Subjekt zu richten, z.B.: mater scriptura est die Mutter ist im Begriff zu schreiben. Sie erinnern sich vielleicht noch, daß der Inf. Präs. der coni. periphr. zugleich die Stelle des Inf. Fut. Akt. vertritt.
In der 6. Zeile treffen wir auf die coniugâtiô periphrastica passîva:
exspectandum (esse) warten müssen. Sie besteht aus dem Gerundivum und einer Form von esse.
Beispiele:
laudandus sum ich bin ein zu lobender, d.h. ich muß gelobt werden
vincendus eram ich war ein zu besiegender, d.h. ich mußte besiegt werden
vincendum, am, um esse (Inf. Präs.) besiegt werden müssen
vincendum, am, um fuisse (Inf. Perf.) haben besiegt werden müssen
Im Grunde ist uns das alles bekannt, -vergleichen Sie einmal, was wir in der 8. Lektion über das Gerundiv und über die Gerundiv-Konstruktion sagten! Das Gerundiv drückt aus, daß etwas geschehen muß oder getan werden muß. Die handelnde Person steht im Dativ.
Damals gab ich Ihnen als Beispiel:
Caesar statuit sibi Rhênum esse trânseundum Caesar stellte fest (war der Meinung), daß er den Rhein überschreiten müsse.
Die heutige Stelle lautet -ein wenig umgeformt-:
Caesar statuit sibi nôn (esse) expectandum Caesar war der Meinung, daß er nicht warten müsse (besser dürfe).
Wir hatten also schon in der 8. Lektion ein Beispiel zur coni. periphr. als Illustration zum Gebrauch des Gerundivums benutzt.
Nun aber zurück zur letzten Zeile unseres Textes:
Zu Beginn des Satzes steht nicht einfach hîs rêbus durch diese Dinge sondern quibus rêbus. Dies ist ein schon mehrfach vorgekommener relativer Anschluß (das Relativum quibus leitet keinen Nebensatz ein, es dient nur der Verknüpfung des letzten Satzes mit dem vorhergehenden. Vgl. 8. Lektion Worterkl.)
Durch diese Vorgänge veranlaßt (infolge dieser Ereignisse) war Caesar der Meinung, daß er nicht warten dürfe, bis (dum)...
Hieran schließt sich -von dum + Konj. eingeleitet- ein temporaler Nebensatz an. dum Helvêtiî pervenîrent (3.Pl. Konj. Impf. Akt.) bis die Helvetier gelangen würden. omnibus fortûnîs cônsûmptîs nachdem die ganze Habe aufgezehrt war ist wieder ein Ablativus absolutus.
Lösungen:
Der Plinius-Brief zeigte uns, daß es für einen Christen durchaus mißlich war, angezeigt zu werden. Nach römischem Recht konnte er sich jedoch von allem Makel befreien, wenn er bereit war, Christus zu verfluchen und sich zum Kaiserkult zu bekennen. Andererseits führte seit Nero (64 n. Chr.) das Bekenntnis Christianus sum zur Todesstrafe.
Traian weist in seinem Antwortschreiben Plinius jedoch darauf hin, daß er auf keinen Fall weiterhin anonyme Anklagen akzeptieren dürfe, denn das wäre ein schlimmes Beispiel und würde einfach nicht dem Zeitgeist entsprechen.
Den Juden ging es mit ihrer monotheistischen Religion wesentlich besser, wohl vor allem deswegen, weil sie dieser bereits jahrhundertelang anhingen, bevor sie von den Römern übernommen wurden. Der Begründer des Christianismus war von einem römischen Beamten, Pilatus, als politischer Aufwiegler hingerichtet worden. Die Christiani konnten daher als Anhänger eines politischen Verbrechers keine freundliche Behandlung erwarten.
Wenn Sie sich eingehender mit diesen Fragen auseinandersetzen wollen, lesen Sie z.B.
Vittinghoff, Friedrich (Bearb.), "Christianus sum"- das "Verbrechen" von Außenseitern der römischen Gesellschaft, in: Eck,Werner (Hrsg.), Civitas Romana, Stuttgart 1994,
S. 322 - 347
Hier ist nun das Antwortschreiben des Kaisers Traian: (Plinius, Epistulae 10, 97)
Âctum, quem debuisti, mi Secunde, in excutiendis causis eorum, qui Christiani ad te delati fuerant, secûtus es.
âctum sequî
ein Verfahren einschlagenMein Secundus, du hast bei der Untersuchung der Fälle derjenigen, die dir als Christen gemeldet wurden, das Verfahren eingeschlagen, das du einschlagen mußtest.
neque enim in universum aliquid, quod quasi certam formam habeat, cônstituî potest.
in ûniversum
im allgemeinen (ûniversum, î n Weltall)Denn es kann ganz allgemein nichts festgelegt werden, was gleichsam als feste Regel dienen könnte.
conquirendi non sunt; si deferantur et arguantur, puniendi sunt, ita tamen, ut, qui negaverit se Christianum esse idque re ipsa manifestum fecerit, id est supplicando dîs nostrîs, quamvîs suspectus in praeteritum, veniam ex paenitentia impetret.
con-quîrô, sîvî, sîtum, conqîrere
aufsuchen, nachspürenSie sollen nicht aufgespürt werden
; wenn sie angezeigt und überführt werden, sind sie zu bestrafen, jedoch so, daß, wer leugnet Christ zu sein, und dies durch die Tat, das heißt durch die Anrufung unserer Götter, beweist -wenn er auch, was die Vergangenheit angeht, verdächtig bleibt-, aufgrund seiner Reue Gnade findet.sine auctore vêrô propositi libelli in nullo crimine locum habere debent.
nam et pessimi exempli nec nostri saeculi est.
vêrô
Adv. aber, jedoch (immer nachgestelt)
Zur ersten gezielten Christenverfolgung kam es 249/250 unter Kaiser Decius, zur zweiten acht Jahre später unter Kaiser Valerianus. Die dritte große Verfolgung begann 311 unter Diokletian. Sie war die grausamste und dauerte bis 313. Mit dem Toleranzedikt des Kaisers Valerius, 311, begann jedoch die Wende. Zwei Jahre später wurde das Christentum von Konstantin als gleichberechtigte Religion im ganze Reich eingeführt (Edikt von Mailand 313).
Doch erst unter Kaiser Justinian (527-565) wurde die Kirche zur Staatskirche.
Wir werden in der folgenden Lektion die Leidensgeschichte der heiligen Scillitaner lesen. Es handelt sich dabei um das erste datierbare christliche Schriftdokument in lateinischer Sprache, und zwar aus dem Jahr 180 n.Chr. Es ist ein Beispiel einer sogenannten Märtyrerakte (oben begann Traians Brief mit âctum, î n das Verfahren, das Protokoll, die Akte).